September 2003: Umsatzsteuerzahler

Vorsteuerabzug in der Bauphase

Das Bundesfinanzministerium hat am 24. April 2003 zum Vorsteuerabzug für eine Immobilie in der Bauphase und einer eventuell späteren Vorsteuerberichtigung nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes Stellung genommen. Die Ausführungen des Bundesfinanzministeriums lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Wer ein Gebäude herstellt und (ernsthaft) beabsichtigt, dieses umsatzsteuerpflichtig zu vermieten, kann die Vorsteuer aus den Eingangsleistungen in der Bauphase auch dann abziehen, wenn er das Objekt später – ganz oder teilweise – umsatzsteuerfrei vermietet. Maßgebend ist nämlich nicht die tatsächliche Verwendung des Objekts; vielmehr kommt es auf die Verwendungsabsicht in der Investitionsphase an. Allerdings ist der in der Bauphase erlangte Vorsteuerabzug unter Umständen nur vorläufiger Natur, denn es ist der zehnjährige Berichtigungszeitraum des § 15a Umsatzsteuergesetz zu beachten. Das heißt: Ändern sich die Nutzungsverhältnisse in dem Zehn-Jahres-Zeitraum, kann es zu einer Vorsteuerrückforderung des Finanzamts oder zu einer Vorsteuernachzahlung zu Gunsten des Unternehmers kommen. Der Berichtigungszeitraum beginnt mit der erstmaligen Nutzung des Objekts.

Diese recht schwierigen Ausführungen sollen an folgendem Beispiel veranschaulicht werden:

Ein Unternehmer errichtet in 2002 und 2003 ein Bürogebäude. Ihm werden Herstellungskosten von 2,5 Mio. Euro zuzüglich 400.000 Euro Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Der Unternehmer beabsichtigt, das Objekt ab dem 1. Januar 2004 voll umsatzsteuerpflichtig zu vermieten. Allerdings gelingt ihm dies nur für ein Jahr. Im Jahre 2005 reduziert sich der umsatzsteuerpflichtige Nutzungsanteil auf 60 Prozent, weil ein Teil der Immobilie "nur" an einen Arzt mit umsatzsteuerfreien Umsätzen vermietet werden kann. Ab 2007 reduziert sich der umsatzsteuerpflichtige Teil sogar auf 40 Prozent, weil ein weiterer Teil der Immobilie "nur" an einen Versicherungskaufmann vermietet werden kann, der ebenfalls umsatzsteuerfreie Umsätze erzielt.

Von der in den Herstellungskosten enthaltenen Gesamtvorsteuer sind in der Investitionsphase 100 Prozent abziehbar, also 400.000 Euro. Allerdings ist der zehnjährige Berichtigungszeitraum des § 15a Umsatzsteuergesetz zu beachten, der am 1. Januar 2004 mit erstmaliger Vermietung beginnt und am 31. Dezember 2013 endet. Wegen der ab 2005 einsetzenden Nutzungsänderung sind in 2005 und 2006 jeweils 16.000 EUR (1/10 von 400.000 x 40 Prozent) und ab 2007 jährlich 24.000 EUR (40.000 x 60 Prozent) an Vorsteuer zurückzuzahlen. Die Berichtigungen sind in den jeweiligen Voranmeldungszeiträumen durchzuführen.

Praxishinweis: Die Verwendungsabsicht in der Bauphase ist unbedingt nachzuweisen. Behauptungen reichen nicht aus. Das Finanzamt wird schon in der Investitionsphase streng prüfen, ob und inwieweit eine umsatzsteuerpflichtige bzw. umsatzsteuerfreie Verwendung der Immobilie beabsichtigt ist. Daher sollten Sie folgende Checkliste beachten:

In möglichst vielen Dokumenten sollte darauf hingewiesen werden, ob die Vermietung umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfrei beabsichtigt ist (wobei eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung natürlich für den Vorsteuerabzug die günstigere Lösung ist). Zum Beispiel könnte hingewiesen werden in:

  • den Planungsunterlagen des Architekten,
  • der Finanzierungskorrespondenz mit der Bank (Kalkulationen mit spezifischen Mietern sowie Einbeziehung von Umsatzsteuer/Vorsteuer),
  • dem Maklerauftrag (eventuell ausdrücklich nur mit der Suche nach "optionsfähigen" Mietern beauftragen, also Mieter, an die anschließend umsatzsteuerpflichtig vermietet werden kann),
  • den Bauantragsunterlagen bzw.
  • der Korrespondenz mit den Baubehörden oder den bauausführenden Unternehmen.

Zudem sollten alle relevanten Schriftstücke bezüglich der Aktivitäten zur späteren Vermietung geordnet aufbewahrt werden, zum Beispiel über die Vorsondierung des Mietmarktes, die Bemühungen zur Mietersuche (z.B. Mietverträge, Zeitungsinserate, Beauftragung eines Maklers, Schriftwechsel mit Interessenten, Vertriebskonzepte, Kalkulationsunterlagen).

Bedeutsame mündliche Absprachen sollten protokolliert werden, um darlegen zu können, wie lange an der ursprünglichen Vermietungsabsicht festgehalten wurde. Wird nämlich die Absicht einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung zu Gunsten einer umsatzsteuerfreien Vermietung aufgegeben, ist der Zeitpunkt des Meinungsumschwungs gegebenenfalls tagesgenau zu ermitteln. Allerdings sind "Eigenbelege" immer nur dritte Wahl; ihre Beweiskraft ist naturgemäß sehr eingeschränkt (BMF-Schreiben vom 24.4.2003, BStBl I, 313).

Hinweis: Das genannte Schreiben des Bundesfinanzministeriums hat zahlreiche weitere interessante Aspekte, auf die an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Daher empfiehlt es sich, zur Erlangung des Vorsteuerabzugs bei der Herstellung von Immobilien unbedingt die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch zu nehmen.