September 2004: Kapitalanleger

Bundesfinanzhof: Neue Widrigkeiten bei Spekulationsgewinnen

Das BVerfG hatte im Frühjahr diesen Jahres die Besteuerung von Gewinnen aus Wertpapiergeschäften für verfassungswidrig erklärt. Der Richterspruch besitzt jedoch nur Gültigkeit für die Jahre 1997 und 1998. Mit zwei bisher nicht geklärten Fragen hat sich der Bundesfinanzhof nun in einem aktuellen Urteil befasst:

  • Gilt die festgestellte Verfassungswidrigkeit auf Grund der strukturellen Vollzugsdefizite auch für Jahre vor 1997?

  • Ist das Verlustausgleichsverbot vor 1998 verfassungswidrig?

Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften vor 1997:

Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass in den Jahren 1989 bis 1993, um die es im Revisionsverfahren ging, ein vergleichbares Vollzugsdefizit gegeben war. Da in den Zwischenjahren 1994 bis 1996 keine andere Sichtweise möglich sein sollte, gilt dies daher wohl auch für diesen Zeitraum. Der Bundesfinanzhof schließt aber aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Besteuerung von Wertpapiergeschäften für 1989 bis 1993 für nichtig erklären wird. Die Richter vergleichen den Sachverhalt mit dem Urteil zur Zinsbesteuerung aus 1991. Auch damals wurde ein Vollzugsdefizit festgestellt. Verfassungsbeschwerden wurden aber zurückgewiesen, weil die widrige Rechtslage bisher nicht erkannt worden sei und deshalb Anlass bestehe, das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen. Aktuellen Bezug hat dieses Urteil insbesondere für die strafbefreiende Erklärung der Jahre 1993 bis 1996 hinsichtlich der Besteuerung von Aktiengewinnen.

Verrechnungsmöglichkeit von Spekulationsverlusten:

Ab 1999 darf das Minus aus privaten Veräußerungsgeschäften jahresübergreifend mit gleichen Gewinnen ausgeglichen werden. Für davor liegende Jahre schloss der Gesetzgeber dies ausdrücklich aus, obwohl das Bundesverfassungsgericht in 1998 die fehlende Verrechnungsmöglichkeit als nicht verfassungsgemäß eingestuft hat. Der Bundesfinanzhof bezieht sich im aktuellen Urteil auf diesen Beschluss, der sich auf Mietverluste aus beweglichen Gegenständen bezog. Die Grundsätze dieses Beschlusses sind auf die Vorschrift des § 23 Absatz 4 Einkommensteuergesetz (alte Fassung) – also auf Spekulationsverluste innerhalb von sechs Monaten – übertragbar. Tenor damals: Der Ausschluss der Verlustverrechnung bei sonstigen Einkünften verstößt gegen Artikel 3 Grundgesetz. Der Gesetzgeber hat trotz des Urteils das Gesetz erst ab 1999 geändert und bewusst auf eine Ausweitung für offene Fälle der Vorjahre verzichtet. Ab 1999 wurde laut Bundesfinanzhof das Ziel umgesetzt, eine verfassungskonforme Regelung zu finden. Es wurde aber unterlassen, gesetzliche Maßnahmen für offene Altfälle umzusetzen; die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde somit nicht entsprechend angewendet.

Folge: Es gelten die allgemeinen Grundsätze über Verlustausgleich und Verlustabzug. Ein Spekulationsminus ist daher mit anderen Einkünften verrechenbar. Lediglich für die Jahre 1997 und 1998 kommt dies nicht mehr in Betracht, da die Besteuerung von Spekulationsgeschäften in diesen Jahren nicht mehr vorgenommen wird (BFH-Urteil vom 1.6.04, Az. IX R 35/01).