November 2003: Freiberufler und Gewerbetreibende

Zweifelsfragen zur Freistellungsbescheinigung

Einem Bauunternehmen, das sich im Insolvenzverfahren oder kurz davor befindet, darf das Finanzamt die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b Einkommensteuergesetz nicht generell verweigern bzw. eine bestehende Bescheinigung nicht widerrufen. Dies ist der Inhalt eines aktuellen Schreibens aus dem Bundesfinanzministerium und einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster.

Unternehmen im Insolvenzverfahren wurde die Freistellungsbescheinigung bisher stets mit dem Hinweis versagt, der Steueranspruch sei durch vorhandene oder wegen der Insolvenz noch zu erwartende Steuerrückstände gefährdet. Außerdem könne wegen Einstellung des Geschäftsbetriebs keine Freistellung erteilt werden. Diese Ablehnung hatte in der Vergangenheit in vielen Fällen das endgültige Aus des Betriebs zur Folge.

Die Verwaltung hat nunmehr die für die Unternehmen positive Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) umgesetzt. Die Oberfinanzdirektion Münster erläutert in ihrer Verfügung im Hinblick auf den BFH-Beschluss (vom 13.11.2002, Az. I B 147/02), wann eine Freistellungsbescheinigung im Insolvenzverfahren erteilt werden muss (Verfügung vom 22.4.2003, Az. S 2272 -28 – St 13- 31). Es gilt somit Folgendes:

Antrag durch den Insolvenzverwalter: Da durch § 80 Insolvenzordnung das Recht der GmbH, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übertragen wird, ist die Antragstellung durch ihn zulässig. Die Freistellungsbescheinigung soll ihm unabhängig davon ausgestellt werden, ob die Bauleistungen vor oder nach der Insolvenzeröffnung erbracht wurden.

Vorläufiger Insolvenzverwalter: Auch ihm soll auf Antrag eine Freistellungsbescheinigung erteilt werden, vorausgesetzt, er hat eine Verfügungsbefugnis. Zudem muss damit zu rechnen sein, dass der Insolvenzverwalter seine steuerlichen Pflichten wahrnimmt und dass das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird.

Eine Freistellungsbescheinigung ist dagegen zu versagen, wenn der Steueranspruch durch diese gefährdet erscheint. Eine Gefährdung liegt vor, wenn der Steuerzahler oder dessen Insolvenzverwalter seinen Mitwirkungspflichten (§ 90 Abgabenordnung) nicht nachkommt, nachhaltig Steuerrückstände bestehen, unzutreffende Angaben in Steuererklärungen gemacht werden, Steuererklärungen nicht oder zu spät abgegeben werden oder falls davon auszugehen ist, dass das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wird.

Konsequenz für die Praxis: Lehnt das Finanzamt die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung ab, weil ein Insolvenzantrag gestellt werden musste, ist auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs, das Schreiben des Bundesfinanzministeriums und die ausführlichere Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster zu verweisen. Notfalls muss beim Finanzgericht ein Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung per einstweiliger Anordnung gestellt werden (Verfügung der OFD Münster vom 22.4.2003, Az. S 2272; BMF-Schreiben vom 4.9.2003, Az. IV A 5; BFH-Beschluss vom 13.11.2002, Az. I B 147/02).