August 2003: Alle Steuerzahler

Vorsteuerabzug für die Privatwohnung im Unternehmensgebäude

Am 25. Mai 2003 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Unternehmer die Vorsteuer für ihre Privatwohnung abziehen dürfen, wenn sich die Wohnung im Unternehmensgebäude befindet. Zwar müssen sie im Gegenzug aus den anteiligen Baukosten der Privatwohnung Umsatzsteuer abführen – allerdings nur verteilt über die Nutzungsdauer des Gebäudes von 50 Jahren. Dadurch ergibt sich für zahlreiche Unternehmer ein enormer Liquiditätsvorteil.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger unterhielt einen Gartenbaubetrieb und errichtete in 1995 hierfür ein Betriebsgebäude. Neben den betrieblich genutzten Flächen befand sich darin auch seine selbstgenutzte Wohnung. Das Gebäude ordnete er voll seinem Unternehmen zu und machte aus den Errichtungskosten den vollen Vorsteuerabzug geltend, da er von einem umsatzsteuerpflichtigen Eigenverbrauch hinsichtlich der privaten Wohnungsnutzung ausging. Finanzamt und Finanzgericht beurteilten den Eigenverbrauch hingegen als steuerfreien Umsatz und verwehrten daher den Vorsteuerabzug für den auf die Wohnung entfallenden Anteil. Diese Rechtsauffassung hält der Europäische Gerichtshof jedoch für gemeinschaftswidrig.

Konsequenz für die Praxis: Angenommen, der Steuerpflichtige hätte ein zweigeschossiges Gebäude für 500.000 Euro zuzüglich 80.000 Euro Umsatzsteuer errichtet und Betriebsräume und Privatwohnung wären jeweils 100 qm groß, dann würde ihm nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs der ungekürzte Vorsteuerabzug von 80.000 Euro zustehen. Korrespondierend hierzu unterliegt die Privatnutzung als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer sind die anteiligen Kosten (Betriebskosten, Erhaltungsaufwand, Abschreibung für Abnutzung). Die Abschreibung für Abnutzung auf die Herstellungskosten ist in Anlehnung an die ertragsteuerliche "fingierte" Abschreibungsdauer gemäß § 7 Absatz 4 Einkommensteuergesetz mit zwei Prozent anzunehmen. Folglich hat der Unternehmer die im Investitionsjahr erlangte Vorsteuer für die Privatwohnung von 40.000 Euro, über 50 Jahre verteilt, zurückzuzahlen. Diese Vorgehensweise entspricht einem zinslosen Kredit des Finanzamtes mit einer Laufzeit von 50 Jahren.

Hinweis: Der Europäische Gerichtshof konnte nicht abschließend entscheiden. Das bleibt nun dem Bundesfinanzhof vorbehalten. Dieser wird aber nicht umhinkommen, den Festlegungen des Europäischen Gerichtshofs zu folgen. Die neue Rechtsprechung dürfte auch erhebliche Bedeutung für ein in der Privatwohnung eingerichtetes (betrieblich genutztes) Arbeitszimmer haben (EuGH 8.5.2003, Rs. C-269/00 – Seeling). Es wird weiter vertreten, dass diese Regelung auch beim Bau eines Zweifamilienhauses greift, wenn eine Wohnung vermietet und eine selbst genutzt wird. Mit der Vermietung sei der Bauherr Unternehmer, auch wenn die Vermietung umsatzsteuerfrei ist. Die selbst genutzte Wohnung könne er seinem Unternehmensvermögen zuführen und die auf diese Wohnung entfallende Vorsteuer abziehen.