November 2013: Umsatzsteuerzahler

Vorsteuer: Zur Schätzungsbefugnis bei Verlust der Originalrechnungen

Kann der Steuerpflichtige sämtliche Originalrechnungen nicht mehr vorlegen, weil sie ihm unverschuldet abhandengekommen sind, sind die Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt, so das Finanzgericht Sachsen-Anhalt.

Der Streitfall

Im entschiedenen Fall konnte ein Unternehmer in einer Betriebsprüfung (bis auf einige Kopien) die Originale der Eingangsrechnungen nicht vorlegen. Während eines Umzugs war ihm ein Kleinlaster gestohlen worden, in dem er die Buchführungsunterlagen gelagert hatte. Das Finanzamt schätzte den Vorsteuerabzug auf 60 % der vorangemeldeten Beträge, was dem Unternehmer allerdings zu gering war. Er begründete dies u.a. damit, dass alle Eingangsrechnungen von seinem Steuerberater gebucht worden seien. Die Mitarbeiterin des Steuerberaters könne versichern, nur ordnungsgemäße Eingangsrechnungen verbucht zu haben.

Nach Ansicht des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt hat das Finanzamt die Vorsteuer zu Recht geschätzt. Auch die Höhe wurde nicht beanstandet, da das Finanzamt mit seiner Schätzung von 60 % weit über die mittels Kopien nachgewiesene Vorsteuer hinausgegangen war.

Anmerkungen

Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer ordnungsgemäßen Rechnung. Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für den Vorsteuerabzug einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben.

Bei Verlust der Eingangsrechnungen muss der Unternehmer die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs darlegen und hierfür Beweise anbieten. Dabei muss insbesondere vorgetragen werden, für welche konkrete Leistung und welchen Entgeltbetrag der Vorsteuerabzug beantragt wird. Dieser Nachweis wird nicht durch den Beweisantrag erbracht, Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, so das Finanzgericht Sachsen-Anhalt. Dass sich ein Zeuge nach mehreren Jahren an alle Einzelheiten der Rechnungen, die für den Vorsteuerabzug erforderlich sind, zuverlässig und glaubhaft erinnern kann, ist regelmäßig nicht anzunehmen.

Praxishinweise

Im Hinblick auf die Frage des Umfangs des möglichen Zeugenbeweises bei vollständigem Verlust sämtlicher Belege hat das Finanzgericht Sachsen-Anhalt die Revision zugelassen, die mittlerweile beim Bundesfinanzhof anhängig ist.

In der Praxis empfiehlt es sich, Beweisvorsorge zu betreiben, beispielsweise durch Kopieren oder Einscannen der Eingangsrechnungen und regelmäßige Datensicherung (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.2.2013, Az. 2 K 1037/10, Rev. BFH V R 23/13).