Juni 2004: Umsatzsteuerzahler

Umkehr der Steuerschuldnerschaft: Das gilt seit 1.4.2004

Seit 1. April ist es amtlich: Die Bundesregierung hat in der Bauwirtschaft bei der Umsatzsteuer die so genannte Umkehr der Steuerschuldnerschaft herbeigeführt. Die Ermächtigung der EU-Kommission war gerade noch rechtzeitig eingetroffen, um die Neuregelung des § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) zum 1.4.2004 in Kraft zu setzen. Am 31.3.2004 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) das zugehörige Anwendungsschreiben veröffentlicht (BMF-Schreiben vom 31.3.2004, Az. IV D 1 – S 7279 – 107/04). Im Folgenden werden die wichtigsten Fragen erläutert, die durch das Bundesfinanzministerium beantwortet wurden.

Bundesfinanzministerium gewährt eine Übergangsregelung bis 30.6.2004

Bei steuerpflichtigen Umsätzen, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, wird es nicht beanstandet, wenn die Vertragspartner (leistender Unternehmer und Leistungsempfänger) einvernehmlich noch von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nach § 13a Absatz 1 Nummer 1 Umsatzsteuergesetz ausgegangen sind. Vorausgesetzt wird, dass diese Umsätze zwischen dem 1.4.2004 und dem 30.6.2004 ausgeführt wurden.

Die "alte" Regelung gilt auch für die Fälle, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts nach dem 31.3. und vor dem 1.7.2004 vereinnahmt wird und die Leistung erst nach der Vereinnahmung des Entgelts oder von Teilen des Entgelts ausgeführt wird.

Voraussetzung für die Nutzung der Übergangsregelung

Voraussetzung ist, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe versteuert wird. Zahlt der Leistende die Umsatzsteuer nicht, kann es trotz Übergangsregelung passieren, dass der Leistungsempfänger die geltend gemachte Vorsteuer an das Finanzamt zurückzahlen muss, obwohl er den Leistenden bezahlt hat.

Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Grundstückslieferungen

Die Regelungen für die Umkehr der Steuerschuldnerschaft werden für Grundstückslieferungen unabhängig von der Bautätigkeit des Auftraggebers gelten:

Fall: Grundstückslieferung
Werden Grundstücke veräußert und optiert der Verkäufer zur Umsatzsteuer, sind die Käufer stets Schuldner der Umsatzsteuer, wenn sie Unternehmer oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. Voraussetzung für die Umkehr der Steuerschuldnerschaft ist, dass der Lieferer (Verkäufer) bereits im notariellen Vertrag oder in einer notariell zu beurkundenden Vertragsergänzung erklärt, dass er auf die Steuerbefreiung verzichtet und zur Umsatzsteuer optiert.

Bei Grundstückslieferungen schuldet der Auftraggeber jetzt die Umsatzsteuer, wenn der Verkäufer zur Umsatzsteuer optiert und der Auftraggeber Unternehmer ist. Bisher führten nur Lieferungen von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Auftraggeber (§ 13b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Umsatzsteuergesetz).

Wen betrifft die Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen?
Betroffen sind Unternehmen oder juristische Personen des öffentlichen Rechts, die selbst Bauleistungen ausführen und eine Rechnung über

  • ausgeführte umsatzsteuerpflichtige Bauleistungen eines inländischen Unternehmers oder
  • umsatzsteuerpflichtige Grundstückslieferungen erhalten.

In diesen Fällen schuldet nicht der ausführende Unternehmer die Umsatzsteuer für seine Leistungen, sondern der Auftraggeber. Der abrechnende Unternehmer darf in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausweisen und muss darauf hinweisen, dass der Auftraggeber nach § 13b Umsatzsteuergesetz Schuldner der Umsatzsteuer ist.

Ab wann gilt das Gesetz?
Wird von der Übergangsregelung kein Gebrauch gemacht, gilt die Umkehr der Steuerschuldnerschaft für Umsätze und Teilleistungen, die nach dem 31.3.2004 ausgeführt werden sowie in den Fällen, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts nach dem 31.3.2004 vereinnahmt wird und die Leistungen anschließend ausgeführt werden.

Wurde das Entgelt oder ein Teil vor dem 1.4.2004 vereinnahmt und die Leistung erst nach dem 31.3.2004 ausgeführt, darf der Leistungsempfänger die Bemessungsgrundlage seiner Umsatzsteuer um das Entgelt mindern, das er vor dem 1.4.2004 an den Leistenden gezahlt hat. Voraussetzung ist hier wieder, dass der Leistende die Umsatzsteuer auf das im 1. Quartal 2004 zugeflossene Entgelt richtig angemeldet und gezahlt hat.

Welche Auftraggeber sind betroffen?

Fall: Bauleistungen
Zum Steuerschuldner werden nur Unternehmer oder juristische Personen, die selbst Bauleistungen durchführen. Der Leistungsempfänger muss derartige Bauleistungen nachhaltig erbringen oder erbracht haben. Davon ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger

  • im vorangegangenen Kalenderjahr Bauleistungen erbracht hat, deren Bemessungsgrundlage mehr als 10 Prozent seiner steuerbaren Umsätze betragen hat oder
  • dem leistenden Unternehmer eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b Einkommensteuergesetz vorlegt.

Wichtig: Die Neuregelung zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Umsatzsteuergesetz erstreckt sich sowohl auf Umsätze für den unternehmerischen als auch für den nichtunternehmerischen Bereich des Auftraggebers. Es ist auch nicht erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Umsätze, für die er Steuerschuldner ist, mit von ihm erbrachten Umsätzen nach § 13b Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz unmittelbar zusammenhängen.

Organschaften
Bei Organschaften ist der Organträger nur insoweit als Leistungsempfänger Steuerschuldner, als er oder die einzelne Organgesellschaft selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt.

Welche Auftraggeber sind nicht betroffen?
Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft ist begrenzt auf Unternehmen, die "nachhaltig Bauleistungen" erbringen. Folgende Personen oder Institutionen sind damit von § 13b Umsatzsteuergesetz nicht betroffen:

  1. Bauträger, die ausschließlich Leistungen erbringen, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen.

  2. Privatpersonen und Unternehmen, die weniger als 10 Prozent ihres steuerbaren Umsatzes mit Bauleistungen erwirtschaften.

  3. Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG), wenn die Leistungen der WEG als steuerfreie Leistungen an die einzelnen Wohnungseigentümer weitergegeben werden.

Bei welchen Leistungen schulden Auftraggeber die Steuer?
Die Steuerschuldnerschaft geht auf den Auftraggeber über, wenn der Auftragnehmer Leistungen erbringt, die der Herstellung, Instandhaltung oder Instandsetzung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Der Begriff des Bauwerks ist weit auszulegen. Er umfasst neben Gebäuden auch Brücken, Straßen oder Tunnel.

Die Leistung muss sich auf die Substanz des Bauwerks auswirken. Es muss eine Substanzerweiterung, -verbesserung, -beseitigung oder -erhaltung bewirkt werden. Zu den Leistungen, die unter die Umkehr der Steuerschuldnerschaft fallen, gehören deshalb

  • der Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen, Heizungsanlagen,

  • der Einbau von Einrichtungsgegenständen, die mit einem Gebäude fest verbunden sind (zum Beispiel Ladeneinrichtungen),

  • Erdarbeiten im Zusammenhang mit der Bauwerkserstellung,

  • die Installation einer Lichtwerbeanlage,

  • Erhaltungsaufwendungen (Reparaturleistungen), wenn das Nettoentgelt für den einzelnen Umsatz 500 Euro übersteigt und

  • Reinigungsvorgänge, bei denen die zu reinigende Oberfläche verändert wird (Fassadenreinigung durch Sandstrahlbearbeitung).

Wann schulden Auftraggeber die Steuer nicht?

1. Planungs- und Überwachungsleistungen
Für Planungs- und Überwachungsleistungen gilt die Neuregelung nicht. Das gilt vor allem für Leistungen von Architekten, Fachplanern oder für die Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben.

2. Materiallieferungen
Auch für Materiallieferungen gilt weiter altes Recht. Der Leistende schuldet die Umsatzsteuer. Dies gilt auch, wenn er den Gegenstand der Lieferung im Auftrag des Leistungsempfängers herstellt, nicht aber selbst in das Bauwerk einbaut. Auch für Betonlieferungen gilt die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nicht.

3. Sonstiges
Nicht von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft betroffen sind ferner der Gerüstbau, das Aufstellen von Materialcontainern, Bürocontainern oder Toilettenwagen, von Messeständen sowie das Anlegen von Bepflanzungen und deren Pflege, die Arbeitnehmerüberlassung oder das zur Verfügungstellen von anderen Baugeräten.

Wie muss die Rechnung aussehen?
Wird über umsatzsteuerpflichtige Werklieferungen, Leistungen an Gebäuden oder über umsatzsteuerpflichtige Grundstückslieferungen abgerechnet, darf der Rechnungsaussteller (Auftragnehmer) bei Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Auftraggeber in der Rechnung keine Umsatzsteuer mehr ausweisen. Zusätzlich muss er darauf hinweisen, dass der Rechnungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer ist (§ 13b Umsatzsteuergesetz).

Beachten Sie: Weist der Auftragnehmer Umsatzsteuer in seiner Rechnung aus, obwohl ein Fall des § 13b Umsatzsteuergesetz vorliegt, schulden sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer die Umsatzsteuer.