März 2006: Kapitalanleger

Spekulationsgewinne im Jahr 1999: Besteuerung verfassungswidrig?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Besteuerung von privaten Wertpapiergeschäften in den Jahren 1997 und 1998 wegen struktureller Vollzugsdefizite als verfassungswidrig beurteilt. Mehrere Finanzgerichte kamen anschließend für andere Zeiträume zu ähnlichen Ergebnissen, sodass die Steuerfestsetzung ab dem Jahr 1999 diesbezüglich nur noch vorläufig erfolgt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass die Erhebungsdefizite für das Jahr 1999 beseitigt sind.

Nach Auffassung des BFH ist die Besteuerung von privaten Wertpapiergeschäften im Jahr 1999 verfassungsgemäß, da wegen der Einführung des Kontenabrufs kein gleichheitswidriges Erhebungsdefizit mehr vorliegt. Zwar gilt dieses Verfahren erst seit April 2005, doch können dadurch auch Sachverhalte früherer Jahre erstmalig ermittelt werden. Insbesondere ist die Festsetzungsfrist von zehn Jahren für hinterzogene Steuern noch nicht abgelaufen. So können die Finanzbehörden nunmehr für das Jahr 1999 noch rückwirkend ermitteln. Beispielsweise erfahren sie durch die neue Jahresbescheinigung der Banken bei der Veranlagung 2005, wenn ein Anleger auch in früheren Jahren Wertpapierdepots unterhalten, hierzu aber keine relevanten Angaben gemacht hatte.

Der gezielte Zugriff auf die Stammdaten verschafft den Beamten zunächst zwar nur die Kenntnis über das Bestehen von Konten. Doch ermöglicht dies weitere Ermittlungen, um relevante Wertpapiergeschäfte aufzudecken. Durch den Kontenabruf kann also effektiv ermittelt werden, sodass von einem strukturellen Vollzugsdefizit nicht mehr auszugehen ist. Ein Vollzugsdefizit besteht lediglich weiterhin bei Auslandsdepots, was dem Gesetzgeber aber nicht zuzurechnen ist.

Hinweis: Obwohl der BFH nicht von einer Verfassungswidrigkeit ausgeht, ist jetzt eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG zu dieser Frage anhängig gemacht worden. Damit ist also die Frage, ob die Besteuerung von Spekulationsgewinnen im Jahr 1999 verfassungsgemäß ist, immer noch nicht abschließend beantwortet. Mit Blick auf diese Verfassungsbeschwerde kann den Steuerpflichtigen trotz der BFH-Entscheidung nur angeraten werden, die Steuerfälle ab dem Veranlagungsjahr 1999 auch weiter offen zu halten.

Zu beachten ist ferner, dass für die Jahre 1996 und früher weiterhin die für die Veranlagungsjahre 1997 und 1998 festgestellten Erhebungsdefizite bestehen, zumal hier der Kontenabruf kaum noch Wirkung zeigt und die Festsetzungsverjährung zunehmend droht. Auf Grund noch schwebender Verfahren sind Bescheide, die diese Jahre betreffen, also weiterhin offen zu halten. Dort muss erst noch geklärt werden, ob trotz Vollzugsdefizit die Verfassungsbeschwerde ggf. zurückgewiesen wird, weil in diesen Jahren die Defizite für eine Übergangszeit hinnehmbar waren (BFH-Urteil vom 29.11.2005, Az. IX R 49/04; Verfassungsbeschwerde beim BVerfG, Az. 2 BvR 294/06).