Oktober 2005: Kapitalanleger

Schneeball-System: Scheingewinne sind in der Regel zu versteuern

Haben Steuerpflichtige betrügerischen Anlagefirmen gutgläubig ihr Kapital überlassen, müssen sie nicht nur auf ihr veruntreutes Kapital verzichten, sondern in der Regel auch die Scheingewinne versteuern. Dazu Folgendes:

Zwei Gesellschaften haben in den 80er Jahren in Deutschland ein Schneeballsystem begründet. Sie versprachen Anlegern, ihre Gelder Gewinn bringend anzulegen. Tatsächlich wurden mit dem vereinnahmten Kapital lediglich "Gewinnauszahlungen" finanziert, durch die die Anleger veranlasst werden sollten, weitere Investments zu tätigen. Das System brach im Jahr 1990 zusammen. Der Anleger im Urteilsfall gab die Erträge nicht in seiner Steuererklärung an. Das Finanzamt erfasste die Überschüsse jedoch als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Das angerufene Finanzgericht stellte später dann die Steuerfreiheit der Überschüsse fest, weil sie weder als Einnahmen aus Kapitalvermögen noch als Spekulationsgewinn zu erfassen seien.

Dem widersprach der Bundesfinanzhof. Bei der Frage nach der Besteuerung der Scheingewinne kommt es darauf an, ob der Anleger den Betrug erkannt oder aber darauf vertraut hatte, die Optionsgeschäfte seien von den Gesellschaften tatsächlich abgeschlossen. Hat der Anleger den Betrug durchschaut, liegen Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, da für die Überlassung von Kapital neben der Rückzahlung der "Einschüsse" auch ein "Gewinn" als Nutzungsentgelt ausgezahlt wurde.

Hat der Anleger den Betrug nicht erkannt, kommt es darauf an, wie sich aus seiner Sicht bei objektiver Betrachtungsweise das jeweilige Anlagengeschäft darstellt. Ist der Anleger davon ausgegangen, dass er eine Anlage in Optionsgeschäften tätigt, sind die ausgezahlten Beträge nach den Regeln der Spekulationsgewinnbesteuerung zu versteuern. Wurden dagegen Termingeschäfte erfolgreich vorgetäuscht, sind die darauf gezahlten Gewinne in den Jahren vor 1999 steuerlich nicht zu erfassen. Denn die entsprechende Steuervorschrift, die Gewinne und Vorteile aus Termingeschäften erfasst, kommt erst ab dem Jahr 1999 zur Anwendung (BFH-Urteile vom 14.12.2004, Az. VIII R 81/03 und Az. VIII R 5/02).