Juni 2004: Umsatzsteuerzahler

EuGH: Hälftiger Vorsteuerabzug für Betriebsfahrzeuge ist Vergangenheit

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einem Urteil vom 29.4.2004 mit der Frage befasst, ob die Vorsteuerabzugsbeschränkung für betriebliche Fahrzeuge mit dem europäischen Recht vereinbar war. Da man vonseiten des deutschen Gesetzgebers einen negativen Ausgang des Verfahrens erwartet und man vorsorglich die hälftige Vorsteuer-Kürzung gem. § 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz mit Wirkung zum 1.1.2004 wieder abgeschafft hatte, war die Entscheidung des EuGH eine echte Überraschung. Dieser entschied nämlich, dass die erteilte EG-Ermächtigung – und damit die fünfzig-prozentige Umsatzsteuerkürzung – grundsätzlich rechtmäßig sei; lediglich die erst später verfügte Rückwirkung auf den 1.4.1999 sei nicht wirksam (EuGH-Urteil vom 29.4.2004, Rs. C-17/01).

Hintergrund des Verfahrens: Durch § 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz wurde mit Wirkung ab 1.4.1999 der Vorsteuerabzug für gemischt-genutzte Unternehmensfahrzeuge auf 50 Pozent beschränkt. Dies erfolgte in Abweichung von der 6. EG-Richtlinie. Die Abweichung von einer EG-Richtlinie bedarf für die Gültigkeit jedoch grundsätzlich der Ermächtigung des Rates. Die nachträglich eingeholte Ermächtigung lag zum 28.2.2000, mit Rechtswirkung zum 5.3.2000, vor. Diese Ermächtigung lief zum 31.12.2002 aus und wurde nicht mehr verlängert. Seit 1.1.2004 ist der § 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz wieder abgeschafft.

Aus diesen sehr umständlichen Verfahrensschritten ergeben sich nunmehr unterschiedliche Regelungen für die verschiedenen Zeitabschnitte:

1.4.1999 – 4.3.2000:

§ 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz verstößt gegen die 6. EG-Richtlinie. Das heißt, das Wahlrecht zwischen vollem Vorsteuerabzug und hälftigem Vorsteuerabzug ist möglich.

5.3.2000 – 31.12.2002:

§ 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz ist gültig. Dadurch gilt der hälftige Vorsteuerabzug für diese Zeit.

1.1.2003 – 31.12.2003:

§ 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz verstößt gegen die 6. EG-Richtlinie. Das heißt, das Wahlrecht zwischen vollem Vorsteuerabzug und hälftigem Vorsteuerabzug ist für diese Zeit wieder möglich.

ab 1.1.2004:

§ 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz wurde abgeschafft. Es gilt wieder der volle Vorsteuerabzug.

Hinweise für die Praxis:
Für Fahrzeuge, die bislang unter § 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz gefallen sind, gilt ab 1.1.2004 wieder der ungeschmälerte Vorsteuerabzug. Die neue Anwendungsregelung des § 27 Absatz 5 Umsatzsteuergesetz (neue Fassung) soll dabei sicherstellen, dass der dann wieder einsetzenden Besteuerung nach § 3 Absatz 9a Nummer 1 Umsatzsteuergesetz eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15a Umsatzsteuergesetz gegenübersteht.

Beispiel:
Der Unternehmer U hatte zum 2.1.2002 ein neues Unternehmens-Kfz für 50.000 Euro zuzüglich 8.000 Euro Mehrwertsteuer erworben, das er auch für Privatfahrten nutzt.

Nach § 15 Absatz 1b Umsatzsteuergesetz konnte U in 2002 die Erwerbsvorsteuer nur hälftig geltend machen (4.000 Euro). Ab 2004 sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die auf die Privatnutzung entfallenden Fahrzeugkosten jedoch wieder der Umsatzbesteuerung unterliegen, so dass auch die anteilige Fahrzeugabschreibung – trotz des insofern nur hälftigen Vorsteuerabzugs in 2002 – einzubeziehen ist. Nach § 27 Absatz 5 Umsatzsteuergesetz (neue Fassung) ist an U zum Ausgleich die zeitanteilige Vorsteuerkürzung (für 2004: 1/5 von 4.000 Euro = 800 Euro) auf Antrag zu erstatten.