September 2005: Kapitalanleger

Einkünfte aus Kapitalvermögen: Wann sind Hinzuschätzungen unzulässig?

Auch im Steuerfestsetzungsverfahren ist der strafrechtliche Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" grundsätzlich zu berücksichtigen. Das bedeutet nach Ansicht der Finanzrichter in Düsseldorf weiter: Hinzuschätzungen von hinterzogenen Steuern dürfen sich auch im Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen nicht auf reine Wahrscheinlichkeitserwägungen stützen. Sind die Ausführungen der Steuerpflichtigen nicht vollkommen unwahrscheinlich, entbehren Hinzuschätzungen einer rechtlichen Grundlage.

In dem zu Grunde liegenden Fall ging es um ein in den Blickpunkt der Steuerfahndung geratenes Anlegerehepaar. Die Eheleute erklärten, dass sie im Zusammenhang mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer im Jahr 1992 Wertpapiere im Ausland angelegt und es bisher unterlassen hätten, die daraus resultierenden Zinserträge zu versteuern. In den Jahren zuvor hätten sie allerdings ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen ordnungsgemäß erklärt. Die Steuerfahndung glaubte ihnen nicht und schätzte für die Jahre 1987 bis 1992 weitere Kapitaleinkünfte hinzu. Eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts war nicht möglich, weil das Anlegerehepaar trotz Aufforderung seinen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.

Da die Finanzverwaltung in zahlreichen Fällen Steuerhinterziehungen lediglich vermutet und nicht einwandfrei nachweisen kann, hat sie sich mit der Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf nicht zufrieden gegeben und Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt. Der BFH muss damit abschließend drei Fragen klären:

  • Erstens, ob Finanzämter dazu berechtigt sind, bei verschwiegenen Auslandsgeldern Kapitaleinnahmen hinzuzuschätzen.

  • Zweitens, inwieweit das Finanzamt bei der Annahme einer mutmaßlichen Steuerhinterziehung den strafrechtlichen Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" zu prüfen hat.

  • Und drittens, ob sich das Beweismaß für eine festzustellende Steuerhinterziehung tatsächlich reduziert, wenn die Aufklärung des Sachverhalts daran scheitert, dass der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nicht nachkommt.

Hinweis: In vergleichbaren Fällen sollten die Einspruchsmöglichkeiten überprüft werden. Betroffene sollten ihre Bescheide offen halten und auf das vor dem Bundesfinanzhof anhängige Revisionsverfahren verweisen (FG Düsseldorf, Urteil vom 4.11.2004, Az. 11 K 2702/02, Revision beim BFH, Az. I R 62/05).