Juli 2010: Freiberufler und Gewerbetreibende

Bilanzberichtigung: Subjektiver Fehlerbegriff auf dem Prüfstand

Mit einem aktuellen Vorlagebeschluss hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs den Großen Senat des Bundesfinanzhofs zur Klärung einer bilanzsteuerrechtlichen Grundsatzfrage angerufen. Für die Beurteilung, ob eine beim Finanzamt eingereichte Bilanz „fehlerhaft“ in dem Sinne ist, dass sie vom Steuerpflichtigen nachträglich berichtigt werden kann und, dass das FA sich von den Bilanzansätzen des Steuerpflichtigen lösen kann, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein durchweg subjektiver Maßstab. Maßgeblich ist danach grundsätzlich der Kenntnisstand eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns zum Bilanzstichtag.

Bislang wendet die Rechtsprechung diesen subjektiven Fehlerbegriff auch auf die Beurteilung reiner Rechtsfragen an. Das hat bei ungeklärten bilanzrechtlichen Zweifelsfragen zur Folge, dass sowohl der Bilanzierende als auch das Finanzamt an die eingereichte Bilanz gebunden sind, selbst wenn sich später aufgrund einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs herausstellt, dass die Rechtsfrage anders zu beantworten ist. Das möchte der I. Senat des Bundesfinanzhofs nun durch den Großen Senat überprüfen lassen.

In dem zu beurteilenden Fall geht es darum, ob ein Mobilfunkunternehmen für Vermögensminderungen aus der verbilligten Abgabe von Mobiltelefonen beim Neuabschluss eines Mobilfunkvertrages einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in seiner Bilanz hätte bilden müssen, was zunächst zu einer höheren Steuer führen würde. Das Mobilfunkunternehmen hatte das verneint. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs ist grundsätzlich anderer Auffassung. Da die Streitfrage aber zum Bilanzierungszeitpunkt ungeklärt und nicht eindeutig zu beantworten war, wäre die Bilanz bei Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs aus der Sicht des Mobilfunkunternehmens nicht als fehlerhaft anzusehen, sodass sie das Finanzamt der Besteuerung zugrunde legen müsste. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs spricht sich demgegenüber für die Maßgeblichkeit der objektiven Rechtslage aus (BFH-Urteil vom 7.4.2010, Az. I R 77/08).